Swim - Bike - Suffer
Manchmal gibt es Tage, die kann man getrost als "gebraucht" bezeichnen. Leider muss ich sagen, dass ich zu meiner nunmehr dritten Langdistanz einen genau solchen erwischte.
Wie konnte es auch anders, lief doch die Anreise in die Region Rhone-Alpes als auch die unmittelbare Vorbereitung perfekt - zu perfekt?!
Ungewohnt und aufregend war bereits der Start um 6:30 Uhr. Mit 1500 Mitstreitern stürzte ich mich in der gerade einsetzenden Morgendämmerung in den angenehm temperierten Lac d'Ailler. Machten wir die ersten Züge noch bei nahezu vollständiger Dunkelheit, wurde es mit jedem Kilometer den wir auf der klassischen Wendepunktstrecke absolvierten, heller und wärmer.
1:14 Stunden benötigte ich für die 3,8 KM, was für mich weder motivierte noch enttäuschte. Schwimmen wird wohl nie zu meinen absoluten Stärken werden.
In gespannter Erwartung was in der zweiten Disziplin "so gehen würde", legte ich meinen Neo ab und schnappte mir mein Rad. Beim Herausschieben aus der Wechselzone folgte dann das erste Ereignis der "schwarzen Serie", die sich im Anschluss durch den ganzen Tag ziehen sollte. Einmal ruppig einen Bordstein hoch und es verabschiedete sich der Flaschenhalter hinter meinem Sattel - natürlich samt der Flasche, die mich auf den folgenden rund 5 Stunden mit der nötigen Energie versorgen sollte. Nachdem ich kurz stoppte und überlegte wie ich diese Situation nun lösen könnte, entschied ich mich dazu, die Flasche in meinen Radroo-Einteiler zu packen und auf die 180 KM lange reise zu gehen.
Obwohl ich es bis dato nie versucht hatte, war die Flasche "im Nacken" sicherlich nicht die schlechteste aller möglichen Lösungen. Ich hatte meine eigene Verpflegung also mit an Bord und aerodynamisch dürfte sich die Flasche in der Position hinter dem Helm, wenn überhaupt, nur minimal negativ bemerkbar gemacht haben.
Nichtsdestotrotz merkte ich rech schnell auf der Strecke, dass ich nicht so vorankomme, wie ich mir das vorstellte. Der Flow fehlte und es fühlte sich allgemein zäh an. Zunächst waren rund 30 KM auf einer Zubringerstrecke zu absolvieren, die uns auf den drei Mal zu bewältigenden Rundkurs von gut 45 KM brachte. Ich versuchte mich in den Wettbewerb hineinzukämpfen und hoffte, dass der Knoten irgendwo auf der Strecke platzen würde. Dies tat er aber über die 5:43 Stunden und gut 1850 Höhenmeter nicht.
Es begann, was im Ausdauersport noch nie weitergeholfen hat - ich begann zu Grübeln und Nachzudenken. Was hatte ich falsch gemacht? Was lief hier heute ab? Warum komme ich gefühlt nicht vorwärts?
Geknickt schnappte ich meinen Wechselbeutel in der zweiten Wechselzone, setzte und sammelte mich erst mal. An so einem langen Tag schießen einem tausende Gedanken durch den Kopf. An diesem gebrauchten waren es im Wechselzelt sicherlich besonders viele. Ich schaute meinem Gegenüber kurz ins Gesicht. Auch er hatte über die 180 Kilometer wohl schon ordentlich Körner lassen müssen. Ich nickt ihm kurz zu, schnappte meinen Beutel und machte mich auf die 42,2 KM des Marathons - lachend ob der enormen Distanz des Ironman-Wettbewerbes, die mir in diesem Moment nochmals ganz bewusst wurde.
Das Lachen verging mir bereits nach 6 Kilometern. Normalerweise bin ich kein Typ für Muskelkrämpfe. Ich ermüde eher, als dass es bei mir zu krampfen anfangen würde. Auch dies lief in Vichy also nicht wie gewohnt und so stand ich zu besagtem Zeitpunkt bereits an einem Baum um mich der Krämpfe in der Vorder- und Rückseite beider Oberschenkel anzunehmen.
Ohne das jetzt zynisch zu meinen: Genau das war es, was ich, so glaube ich im Nachblick, brauchte. Die Krämpfe ließen ein DNF plötzlich so nah erscheinen. Bei allen Langdistanz-Starts kam ich bislang ins Ziel. Sollte diese schöne Serie reißen? Folgende Gedanken machte ich mir: "Wenn ich nach sechs Kilometern bereits mit Krämpfen pausieren muss, dann ist jeder Kilometer den ich zusätzlich mache, ein Gewinn - ganz unabhängig davon, ob ich es letztlich ins Ziel schaffe oder nicht.". Mit diesem positiven Gedankenspiel lief ich wieder an und es funktionierte. Ich kam das erste Mal an tollen Stimmungsnestern in der malerischen Innenstadt von Vichy vorbei, sog die Atmosphäre auf, verpflegte mich gut und bestritt so Kilometer für Kilometer, Verpflegungsstation für Verpflegungsstation.
So richtig zäh wurde es dann erst wieder nach 25 Kilometern, als mir mein Körper langsam das Signal gab, dass er genug von süßen, zähflüssigem Energiegel habe. Folglich versuchte ich es mit allem, was an der Strecke angeboten wurde. Doch auch RedBull, Cola, Elektolyte, Salzstangen etc... trugen nicht wirklich dazu bei, dass ich mich wieder richtig gut fühlte. So wurde die letzte der vier zu absolvierenden Runden nochmals zu einem Kampf. Das Ziel so nah, biss ich mich durch und erreichte nach 11:05h den roten Teppich. "You are an Ironman" - noch nie hatten diese Worte einen so erlösenden Effekt wie vergangenen Sonntag.
Nach wie vor unglücklich über meine Performance checkte ich am Abend die Resultate der einzelnen Disziplinen und den Platz in meiner Altersklasse, sowie den Gesamtrang.
Schwimmen 57. Platz in meiner AK von 150 Startern (gesamt 538 von 1500 Startern); Radsplit 22. AK (178); Marathon 24. AK (228), Gesamtergebnis 22. Platz AK (206).
Sicherlich relativierte der Blick auf die Ergebnislisten meine allzu negative Sicht auf meine Leistung an diesem Tag ein wenig. Auch andere Athletinnen und Athleten haben bei 36 Grad in der Mittagshitze wohl gelitten. Nichtsdestotrotz kein Ergebnis, das ich lange in Erinnerung behalten möchte.
226 Kilometer halten einfach immer sehr, sehr viel bereit. Deshalb werde ich auch in Zukunft demütig und mit der nötigen Portion Respekt an der Startlinie stehen - dann auch hoffentlich wieder mit einer besseren Performance!
Euer Tim